Hilft die digitale Wiederbelebung?
Online-Marketing: Können digitale Messen und Webinare persönliche Treffen auf Fachmessen und Kundenbesuche von Vertrieblern ersetzen? Nein, das reicht sicher nicht.
Trostloser Vertrieb in Coronazeiten
Steif und starr auf dem Rücken liegt die Frau als Toter Mann auf der Wasseroberfläche und rührt sich nicht. Sie schluckt kein Wasser, kann weiteratmen und geht nicht unter. Die Strömung treibt sie irgendwo hin.
Bei manchen Unternehmen gewinnt man in der Corona-Zeit den Eindruck, sie verhalten sich wie die Frau auf dem Wasser: Keine Bewegung. Man hört nichts und sieht nichts von ihnen. Wie vor die Wand gefahren. Die bewährten Vertriebs- und Marketingaktivitäten fallen der Pandemie zum Opfer. Keine Fachmesse, keine Inhouse-Veranstaltungen, keine Printanzeigen, keine Außendienstbesuche.
Klar, die Situation im Vertrieb für Investitionsgüter ist trostlos. Viele Branchen leiden unter dem unsicheren und schwer berechenbaren Umfeld. Die Corona-Krise, der Brexit, der zunehmende Protektionismus und der schwierige Strukturwandel in der Automobilindustrie sind Gift fürs Investitionsklima. Nicht nur der deutsche Maschinenbau – hier ganz besonders die Hersteller von Werkzeugmaschinen – leidet.
Doch wie geht es weiter? Wie präsentieren B2B-Unternehmen erfolgreich ihre Innovationen und werben neue Kunden? Jeder tastet sich voran. Digitale Formate wie die virtuellen Ersatzveranstaltungen realer Messen sind ein Versuch, „METAV Web-Sessions“ und „SPS Connect“ Beispiele hierfür. Andere bieten selber Live-Veranstaltungen im Netz an, in Form von Produktpräsentationen oder als Tutorials.
Digitale Messen und Webinare sind keine Wundermittel
Aufwand und Nutzen sollte man gut abwägen. Denn die gelungene (Live-) Video-Vorstellung einer neuen Werkzeugmaschine gelingt nicht mit dem Smartphone. Eine professionelle Präsentation kostet. Hierzu braucht man ein Konzept, eine Dramaturgie und ein Filmteam mit Ausrüstung.
Und auch der Referent sollte kompetent, eloquent und redegewandt sein. Das ist nichts für einen etwas biederen und hölzernen Außendienstler. Der überzeugt zwar im persönlichen Gespräch mit dem Geschäftsführer und seinem Produktionsverantwortlichen. Aber auf dem Bildschirm wirkt er leider blutleer und langweilig.
Selbst wenn alles passt, fällt die Bilanz gemischt aus: Mir hat ein Marketingleiter davon berichtet, dass 15 der 25 Teilnehmer eines Online-Seminars Mitarbeiter des Veranstalters waren, fünf weitere kamen von Wettbewerbern – so wie er selber. Die Zahl der wirklichen Interessenten kann man dann an einer Hand abzählen. Und auch die sind nicht leicht zu werben. „Ich bekomme jeden Tag so viele Einladungen zu Webinaren, dass ich sie mir gar nicht mehr anschaue“, vertraute mir unlängst ein Vertriebler an.
Grenzen des klassischen Outbound-Marketings
Es sind die klassischen Maßnahmen des Outbound-Marketings, die hier in digitalem Gewand an ihre Grenzen stoßen. Damit ist die Methode gemeint, dass der Anbieter den Kunden mit seinen Informationen jagt. Im Erfolgsfall so lange, bis er gestellt ist und kauft. Das Vorgehen gibt es auch beim Callcenter: Outbound heißt hier, der Telefonist nervt zum ungelegenen Zeitpunkt den Angerufenen, bis dieser dem neuen Telefonvertrag zustimmt.
Mit Inbound-Marketing diejenigen erreichen, die googlen
Wo es Outbound gibt, da gibt es auch Inbound. Beispielsweise die schnell erreichbare Hotline, bei der ich – dann, wenn ich es möchte – anrufen kann und rasch eine kompetente Antwort auf meine Frage erhalte. Inbound-Marketing heißt, dass der Interessent sich die gewünschten Informationen in dem Moment holen kann, wenn er es wünscht.
Meist sucht er diese im Internet, wofür sich bekanntlich das englische Wort „googlen“ eingebürgert hat. Ob ein Unternehmen ein Bearbeitungszentrum oder ein Konsument einen Gefrierschrank kauft: zuerst wird im World Wide Web recherchiert.
Produkte in der Champions League, Internetauftritt Kreisklasse
Das ist für viele deutschsprachige Unternehmen aus Maschinenbau & Co ein Problem. Denn der Internetauftritt von manch einem Spezialisten, dessen Produkte in der Champions League spielen, hat gerade einmal Kreisklassenniveau.
Mich graust es, wenn ich als Besucher mit „Herzlich willkommen auf unserer Internetseite“ begrüßt werde oder der letzte Eintrag unter „Aktuelles“ aus dem Jahr 2008 stammt.
Die Mängelliste ist lang: Mal ist das Layout altbacken, die Navigation umständlich, der Text unverständlich und uninspiriert. Mal ist die Technik überholt und an der Website wurde seit Jahren nichts aktualisiert. Links laufen ins Leere, Anfragen bleiben unbeantwortet. Bei den Inhalten hat sich der Betreiber an der letzten Produktbroschüre orientiert. Wenn sie nicht gleich als – für Suchroboter unlesbares – PDF hochgeladen wurde, dann sind die Texte eine reine Kopie des gedruckten Heftes.
Wo es am Simpelsten fehlt, braucht man mit dem Thema „Suchmaschinenoptimierung“ erst gar nicht anzufangen. Umfassende, zielgruppengerechte Informationen, die unterhaltsam und lesbar aufbereitet sind und für die Google-Crawler ansprechend präsentiert werden, sind in weiter Ferne. Die Nutzerorientierung liegt nahe dem Gefrierpunkt.
Das Gute an grottenschlechten Internetauftritten ist, dass sie im Netz kaum gefunden werden. Dafür landen sie viel zu weit hinten auf den Google-Trefferseiten, dort, wo niemand mehr auf einen Eintrag klickt. Daher stören sie echte Interessen bei ihrer Suche nach relevanten Informationen nur wenig.
Machen Sie Ihre Internetseite zur Vertriebsmaschine
Unternehmen, die die Chancen der Digitalisierung in Corona-Zeiten nutzen möchten, sollten mit ihrer Website beginnen. Sie sollte zum Zentrum aller Marketing-Aktivitäten werden. Machen Sie Ihren Internetauftritt zur Vertriebsmaschine. Mit suchmaschinenoptimierten Inhalten, nach denen Ihre Kunden suchen, sorgen Sie dafür, dass potenzielle Kunden auf der Internetseite landen und sich informieren.
Treiben Sie nicht ziellos auf dem Wasser wie ein Toter Mann – setzen Sie sich ein Ziel und schwimmen Sie los.
In diesem Sinne, viel Erfolg!
F. Stephan Auch
von: F. Stephan Auch